Interview Im Gespräch mit Christel Riemann-Hanewinckel, ehemalige stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende

Aus welchen Beweggründen haben Sie sich als stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende in der Bundesstiftung Mutter und Kind für Schwangere in Not engagiert?

Von 2002 bis 2005 war ich Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Im Zuge dieser Tätigkeit übernahm ich auch die Aufgabe der stellvertretenden Kuratoriumsvorsitzenden der Bundesstiftung Mutter und Kind, um zusammen mit anderen Kuratoriumsmitgliedern den Stiftungsrat zu beraten, ihn bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen und mich für Verbesserungen einzusetzen.

Als Mitglied des Kuratoriums beraten Sie den Stiftungsrat bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Welche Schwerpunkte haben Sie persönlich als Vertreterin des Deutschen Bundestages bei Ihrer Arbeit im Kuratorium gesetzt?

Als Kuratoriumsmitglied war mir die gerechte Verteilung der Mittel wichtig. In unserem Land gibt es reichere und weniger wohlhabende Bundesländer. Wer in einem der weniger wohlhabenden Bundesländer schwanger wird und Hilfe benötigt, hat, aufgrund der nach einem Bevölkerungsschlüssel verteilten Gelder eine geringere Chance auf die ohnehin begrenzten Stiftungsgelder. Die Vergabepraxis konnte allerdings dahingehend optimiert werden, dass die Stadtstaaten und neuen Bundesländer zum Ausgleich ihrer schwächeren wirtschaftlichen Situation einen Vorabzuschlag in Höhe von 6 Prozent der Gesamtzuwendung erhalten.

Können Sie ein Beispiel für die erfolgreiche Arbeit der Bundesstiftung bzw. der Landeseinrichtungen nennen?

Ein großer Schritt war sicherlich die Einführung der Sozialdatenstatistik im Jahr 2000. Damit werden alle Anträge und wichtige, zugrunde liegende Kriterien bei der Gewährung von finanziellen Mitteln registriert. Die oben angesprochene Verteilungsproblematik und die länderspezifischen Unterschiede sind dadurch erst deutlich geworden.

In Deutschland gibt es rund 1.500 Schwangerschaftsberatungsstellen. Welche Rolle spielt die „Bundesstiftung Mutter und Kind“?

Für werdende Eltern oder Mütter, die vor, während oder nach einer Schwangerschaft Fragen, Probleme oder Konflikte haben, ist eine Schwangerschaftsberatungsstelle genau der richtige Ort. Sie haben einen Rechtsanspruch auf Beratung und erhalten die Vermittlung von weiteren Hilfsangeboten. Die finanzielle Zuwendung für eine Schwangere in einer Notsituation gibt es aus den Mitteln der Bundesstiftung. Diese einmalige finanzielle Zuwendung ist für sich betrachtet aber alleine nicht ausreichend, einen grundsätzlichen Schwangerschafts-Konflikt zu lösen. Denn viele Frauen haben hauptsächlich Probleme mit dem Partner oder der Arbeitssituation. Zudem sehen die meisten Träger vor, dass die finanziellen Mittel bis zur 20. Schwangerschaftswoche beantragt werden müssen. Das setzt die schwangere Frau noch zusätzlich unter Druck.

Die Bundesstiftung wendet sich besonders an schwangere Frauen. Wie beurteilen Sie die Herausforderung, Väter stärker und früher anzusprechen?

Geschlechterspezifische Stereotype aufzubrechen ist noch immer eine Herausforderung, der wir uns tagtäglich stellen müssen. Durch das Schwangerschaftskonfliktgesetz haben Frauen wie Männer gleichermaßen einen gesetzlichen Anspruch auf eine umfassende Beratung, unabhängig davon, ob das Paar verheiratet ist. Die Bundstiftung sollte auch die Väter mehr einbeziehen, was durch Veränderung des Stiftungsnamens deutlich werden sollte.

Die Bundesstiftung spricht davon, mit den Stiftungsgeldern den werdenden Müttern Türen in die Strukturen der frühen Hilfen zu öffnen. Wie wird die Bundesstiftung dieser Türöffnerfunktion gerecht?

Dass eine finanzielle Zuwendung in schwieriger Lage hilfreich sein kann, steht außer Frage, denn für die Gründung einer Familie spielt Geld zumeist eine wichtige Rolle. Ich halte daher die Aufgabe der Bundesstiftung, werdenden Müttern finanziell unter die Arme zu greifen, für gut und richtig. Aber, wichtig sind Rechtsansprüche für Familien, auf die sich Mütter und Väter für die kommenden zwei Jahrzehnte der Kindererziehung verlassen können. Dazu gehört eine ausreichende Infrastruktur der Kinderbetreuung von Anfang an und finanzielle Sicherheit, vor allem bei der Gründung einer Familie, wie beispielsweise das Elterngeld, auch für Empfängerinnen von SGB II. Von einer wirksamen „Türöffnerfunktion“ kann erst gesprochen werden, wenn kurzfristige, langfristige und einmalige Hilfestellungen verlässlich ineinander greifen.

Worin liegt aus Ihrer Sicht die gesellschaftliche Verantwortung der Bundesstiftung?

Die Bundesstiftung für Mutter und Kind hilft in Schwangerschaftskonfliktsituationen und kann durch den Anreiz einer finanziellen Zuwendung in Kombination mit weitergehenden Hilfestellungen in Bezug auf andere Leistungs- und Beratungsangebote der Schwangeren eine sehr individuell angepasste Unterstützung geben. Nach meinem Verständnis sollte die Arbeit der Bundesstiftung auch grundlegend auf veränderte Notsituationen hinweisen, aus denen Gesetzesentwürfe und -vorhaben resultieren können. Gute Familienpolitik in Deutschland ist eine fortwährende Aufgabe, damit alle Kinder, unabhängig von der finanziellen Situation der Eltern, gleiche Chancen zum Aufwachsen haben.