Interview Im Gespräch mit Johanna Huber, Stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende bis 2014

Sie wurden in diesem Jahr zur stellvertretenden Kuratoriumsvorsitzenden der Bundesstiftung gewählt. Aus welchen Beweggründen engagieren Sie sich für die Bundesstiftung?

Die Bundesstiftung „Mutter und Kind“ ist aus meiner Sicht eine unverzichtbare Einrichtung im Rahmen des Lebensschutzkonzepts unserer Rechtsordnung und wegen ihres unbürokratischen Verfahrens ein tragender Pfeiler der sozialen Hilfen für Schwangere in Not. Beratung und Hilfe gehören zusammen. Die Schwangerenberatung kann nur dann glaubwürdig und effektiv sein, wenn sie auch über wirksame soziale Hilfen verfügt.

Die Bundesstiftung Mutter und Kind konnte bei ihrer Errichtung 1984 bereits auf die Erfahrungen einiger Landeseinrichtungen und Wohlfahrtsverbände aufbauen. Dazu gehörte auch die bayerische Landesstiftung „Hilfe für Mutter und Kind“, die bereits im Jahre 1978 gegründet worden war. Nachdem ich seit meinem Dienstantritt im Bayerischen Familienministerium 1980 bei der bayerischen Landesstiftung verschiedene Funktionen und Aufgaben (Stiftungsvorstand, Stiftungsrätin, Zuständigkeit im Rahmen der Referats- und Abteilungsleitung) wahrgenommen hatte, freute ich mich seinerzeit sehr über die Berufung in das Kuratorium der Bundesstiftung.

Als Mitglied des Kuratoriums beraten Sie den Stiftungsrat bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Welche Schwerpunkte setzen Sie persönlich bei Ihrer Arbeit im Kuratorium?

Eine der wichtigsten Aufgaben des Kuratoriums ist meines Erachtens die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für das Lebensrecht und das Schutzbedürfnis des ungeborenen Kindes. Wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG 28.5.1993) ausführt verpflichtet der Schutzauftrag den Staat, „den rechtlichen Schutzanspruch des ungeborenen Lebens im allgemeinen Bewusstsein zu erhalten und zu beleben“.

Daneben ist es unsere Aufgabe, die angemessene Behandlung der Ansprüche betroffener Frauen einzufordern und sicherzustellen. Es geht nicht an, dass Schwangere Probleme bei der Durchsetzung berechtigter gesetzlicher Ansprüche haben, die von der Praxis nicht selten in eine unzulässige Konkurrenz zu Leistungen der Bundesstiftung bzw. der Landesstiftungen gestellt werden.

In Deutschland gibt es rund 1.500 Schwangerenberatungsstellen. Welche Rolle spielt die „Bundesstiftung Mutter und Kind“?

Wie von den Beraterinnen immer wieder bestätigt wird, spielt die Bundesstiftung Mutter und Kind für die Akzeptanz der Beratung eine ganz wesentliche Rolle. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Schwangerenberatung tatsächlich Lebensrettung bedeutet, weil sie die werdende Mutter in ihrer Entscheidungsnot erreicht und ihr mit Verständnis und vorbehaltloser Akzeptanz begegnet und zwar so, dass die Frau die angebotene Hilfe annehmen und über alles sprechen kann, was sie bedrückt. Nur wenn Hilfe - behutsam angeboten - akzeptiert wird, kann die Schwangere all ihre Kräfte mobilisieren, Angst und Enttäuschung überwinden und sich auf das Abenteuer Kind einlassen. Diese Leistung der Bundesstiftung ist inzwischen unstrittig und allgemein anerkannt, was vor dem Hintergrund der Diskussionen bei ihrer Einführung keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist. Hier kommt – das darf ich an dieser Stelle einfügen – der sensiblen und engagierten Arbeit der Beraterinnen in der Schwangerenberatung ein hohes Verdienst zu.

Die Bundesstiftung spricht davon, mit den Stiftungsgeldern werdenden Müttern Türen in die Strukturen der frühen Hilfen zu öffnen. Wie beurteilen Sie die Bedeutung dieser „Türöffnerfunktion“?

Die Türe der Schwangerenberatungsstelle – als die einzige Stelle, bei der ein Antrag auf Leistungen aus Mitteln der Bundesstiftung gestellt werden kann - ist auch die Türe zu den Frühen Hilfen. Denn die Beratungsstellen sind aufgrund der vielfältigen Berührungspunkte mit anderen Einrichtungen der Jugendhilfe und den Gesundheitsdiensten, die mit Säuglingen und Kleinkindern zu tun haben, gut vernetzt. In Bayern beteiligen sich die Schwangerenberatungsstellen z.B. an den „koordinierenden Kinderschutzstellen“ (kurz: „KoKis“), deren Ziel es ist, belastete Familien frühzeitig zu erreichen, zu unterstützen und Überforderungssituationen zu vermeiden. Selbstverständlich erfolgt dies mit dem Einverständnis der Beratenen.

Die Erfahrung zeigt, dass aufgrund der besonderen Vertrauenssituation und der Tatsache, dass sich die Frauen in der allgemeinen Schwangerenberatung freiwillig an die Beratungsstelle wenden, ein guter Zugang zu den Hilfesuchenden besteht und diese Form der Hilfe als Unterstützung und keinesfalls als Kontrolle oder Bevormundung gesehen wird. Es geht in erster Linie darum, von Anfang an die Potentiale und Kompetenzen von Eltern zu stärken und zwar möglichst bereits in der Phase der Schwangerschaft, um spezifischen Risiken zuvorzukommen und den gesunden Aufbau einer Eltern-Kind-Beziehung vorzubereiten. In diesem Zusammenhang wird die Antragstellung auf Bundesstiftungsmittel und die Möglichkeit zur finanziellen Entlastung verknüpft mit individueller, psychosozialer Beratung und infrastruktureller Unterstützung der werdenden Mutter.

Worin liegt aus Ihrer Sicht die gesellschaftliche Verantwortung der Bundesstiftung?

Die gesellschaftliche Verantwortung der Bundesstiftung hat eine ideelle und eine materielle Komponente: zum einen ist die Bundesstiftung berufen, in der Öffentlichkeit für den Schutz des Ungeborenen, der Schwangeren und der Familien einzutreten. Zum andern kann sie die Botschaft „die Entscheidung für ein Kind darf nicht an einer finanziellen Notlage scheitern“ besonders glaubwürdig transportieren und entsprechende familiäre Hilfen im Sinne des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 28.3.1993) einfordern: „Die Bedeutung solcher Leistungen als Maßnahmen präventiven Lebensschutzes hat der Gesetzgeber in Rechnung zu stellen, wenn es erforderlich wird, staatliche Leistungen im Hinblick auf knappe Mittel zu überprüfen.“

Sie engagieren sich seit mehr als 30 Jahren für junge Mütter und Familien; heute leiten Sie die Abteilung „Familie und Jugend“ des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Soziales. Können Sie aus Ihrer persönlichen Erfahrung ein Beispiel für die erfolgreiche staatliche Unterstützung von jungen Müttern und Familien nennen?

Die finanzielle Unterstützung von jungen Müttern und Familien erfolgt im ersten Lebensjahr des Kindes bekanntermaßen durch das Elterngeld des Bundes; Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Thüringen gewähren ihren Familien als Anschlussleistung ein „Landeserziehungsgeld“.

Darüber hinaus bieten viele Bundesländer Projekte für die praktische Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags mit einem Säugling an. Beispielhaft kann ich für Bayern die Projekte „Schreibabys“ und „Maja – Hebammen helfen Eltern“ nennen.