Interview Im Gespräch mit Norbert Bischoff, stellvertretender Kuratoriumsvorsitzender bis 2015

Sie wurden in diesem Jahr zum stellvertretenden Kuratoriumsvorsitzenden der Bundesstiftung gewählt. Aus welchen Beweggründen engagieren Sie sich in der Bundesstiftung?

Für mich war es selbstverständlich, das Angebot zur Mitarbeit im Kuratorium der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ anzunehmen. Ich bin Vorsitzender der Landesstiftung „Familie in Not“ in Sachsen-Anhalt und kenne daher viele Einzelschicksale von Müttern und Vätern, die sich in schwierigen finanziellen und sozialen Situationen befinden. Der Einsatz für das werdende Leben und die Unterstützung der Familien in ihrer Erziehungs- und Betreuungsfunktion sind ein Gebot der Menschlichkeit.

Als Mitglied des Kuratoriums beraten Sie den Stiftungsbeirat bei der Erfüllung seiner Aufgaben. Welche Schwerpunkte setzen Sie persönlich bei Ihrer Arbeit im Kuratorium?

Jede Hilfesuchende ist wichtig. Wenn Eltern erwerbslos sind oder kein die Existenz sicherndes Einkommen beziehen, dann ist die Gefahr der Verarmung akut. Hier muss Hilfe ansetzen. Zudem brauchen minderjährige Mütter, Familien mit behinderten Angehörigen sowie Mütter und Väter mit Migrationshintergrund besondere Unterstützung.

In Deutschland gibt es rund 1.500 Schwangerschaftsberatungsstellen. Welche Rolle spielt die Bundesstiftung Mutter und Kind?

Die Schwangerschaftsberatungsstellen leisten einen unverzichtbaren Beitrag für das werdende Leben. Sie sind zumeist erster Anlaufpunkt für Mütter und Väter in schwierigen Situationen. Über die Beratungsstellen werden auch Anträge auf Förderung durch die Bundesstiftung gestellt. Ne-ben der Unterstützung zur Linderung von materieller Not erfolgt auch Beratung in Erziehungs- und Partnerschaftsfragen.

Die Bundesstiftung spricht davon, mit den Stiftungsgeldern werdenden Müttern Türen in die Strukturen der frühen Hilfen zu öffnen. Wie beurteilen Sie die Bedeutung dieser „Türöffnerfunktion“?

Ja, diese „Türöffnerfunktion“ in das Hilfesystem und andere Unterstützungsleistungen ist da und sie ist ungeheuer wichtig. Frauen in Notlagen erhalten finanzielle Mittel. Damit wird ihnen die Möglichkeit eröffnet, sich trotz einer Notlage für das Kind zu entscheiden. Das ist eine Entschei-dung für das Leben. Daraus schöpfen nicht wenige junge Frauen auch neue Kraft und Zuversicht für die Gestaltung ihres eigenen Lebens.

Worin liegt aus Ihrer Sicht als studierter Theologe die gesellschaftliche Verantwortung der Bundesstiftung?

Nicht nur aus theologischen Gründen, sondern auch im Sinne der allgemeinen Menschenrechte gilt: Unterstützung für Menschen in Not dient der Wahrung der Menschenwürde. Familie bildet so etwas wie die Grundlage der Gesellschaft. Familie trägt Verantwortung für das Heranwachsen einer nächsten Generation und leistet einen unverzichtbaren Beitrag für den Zusammenhalt in der Gesellschaft. Im Umkehrschluss trägt die Gesellschaft Verantwortung für die Familie. Jeder Mensch hat ein Recht auf Würde, auf Unversehrtheit und auf Entfaltung seiner Fähigkeiten. Die Bundesstiftung leistet an dieser Stelle einen universellen Beitrag für die Ausgestaltung der Menschenrechte.

Die Bundesstiftung wendet sich besonders an schwangere Frauen. Wie beurteilen Sie die Herausforderung, Väter stärker und früher anzusprechen?

Natürlich sind auch Männer und Väter anzusprechen und in die Verantwortung zu nehmen. Aber ich sehe die Bundesstiftung hier durchaus auf dem Weg. Selbst wenn vorwiegend Frauen und Mütter angesprochen werden, um Unterstützung der Stiftung zu beziehen, so kommt diese doch vielfach auch den Männern und Vätern zugute. Gute 40 Prozent der Unterstützungsempfangen-den leben in einer ehelichen Gemeinschaft. Ich sehe es als ein hoffnungsvolles Zeichen, dass immer mehr Väter ihre familiäre Aufgabe auch in schwierigen Situationen annehmen und ihrer aktiven Verantwortung für Erziehung und Betreuung von Kindern nachkommen.

Sie waren bis 2010 Vorsitzender der Stiftung „Familie in Not – Sachsen-Anhalt“. Können Sie aus Ihrer persönlichen Erfahrung ein Beispiel für die erfolgreiche staatliche Unterstützung von jungen Müttern und Familien nennen?

Beispiele für die erfolgreiche Unterstützung der Stiftung gibt es auch in Sachsen-Anhalt unzähli-ge. Im Vorstand werden ja nur besonders schwierige Konstellationen besprochen. Im Durch-schnitt erreichen pro Jahr 250 bis 260 Anträge die Landesstiftung, etwa 40 bis 45 Prozent davon können auch berücksichtigt werden. Die finanziellen Hilfen reichen von 100 bis 1.200 Euro. Hilfen für Mehrkindgeburten, für minderjährige Mütter und für Menschen mit Behinderung halte ich für besonders wichtig. An dieser Stelle möchte ich mein Dankeschön an die Schwangerschaftsbera-tungsstellen ausdrücken, die diese wichtige Unterstützung engagiert begleiten.