Interview Im Gespräch mit Peter Hoffstadt, Mitglied des Stiftungsrats

Sie engagieren sich seit einigen Jahren im Stiftungsrat der Bundesstiftung Mutter und Kind. Welche Schwerpunkte setzen Sie persönlich bei Ihrer Arbeit in diesem Gremium?

Als Mitglied im Stiftungsrat ist mir die Weiterentwicklung und Absicherung der Bundesstiftung ein wichtiges Anliegen. Meine Hauptaufgabe sehe ich darin, eine inhaltliche Brücke herzustellen zwischen den Schwangerschaftsberatungsstellen, mit ihren Anliegen bezogen auf die Verteilung der Mittel aus der Bundesstiftung und der Geschäftsstelle sowie den Mitgliedern des Stiftungsrat der Bundestiftung in Berlin.

Ich transportiere fachliche, inhaltliche und finanzielle Anliegen in beiden Richtungen wie z.B. die notwendige Anpassung der Förderung an die gestiegenen Lebenshaltungskosten, Umsetzung des Pfändungsschutzes der Bundesstiftungsmittel oder aber die Verbesserung der Situation von schwangeren SGB II-Empfängerinnen. Darüber hinaus bin ich gut vernetzt mit den anderen Landesstiftungen und -einrichtungen, sodass durch mich auch eine Art Interessensvertretung erfolgt.

Im Bereich Ihres Bundeslandes sind Sie auch seit vielen Jahren verantwortlich tätig für die Bewilligung von Stiftungsmitteln. Welches sind aus Ihrer Sicht die besonderen Probleme der Schwangerschaftsberatungsstellen vor Ort?

Ich möchte Ihnen hierzu drei Themenbereiche kurz beschreiben:

Schwangere Frauen im SGB II Bezug
Mit Einführung des SGB II 2004 stiegen in den Beratungsstellen die Fälle, in denen schwangere Frauen erhebliche Schwierigkeiten aufgrund von SGB II Ansprüchen haben. Der Zuwendungsempfänger NRW hat gemeinsam mit den Spitzenverbänden der freien Wohlfahrtspflege 2010 hierzu eine systematische Abfrage in allen Beratungsstellen des Landes durchgeführt, mit erschreckenden Ergebnissen. So gab es bei ca. 75% der Fälle Schwierigkeiten, sei es bei den gesetzlich zustehenden Leistungsansprüchen oder/und wegen des respektlosen Umgangs mit den Schwangeren in den ARGEn (jetzt Jobcenter). Nur mit großem Interventionsaufwand der Beraterinnen (bis hin zur Unterstützung bei Klagen) konnten letztendlich in fast allen Fällen die gesetzlichen Ansprüche der Schwangeren durchgesetzt werden.

Bei einem gemeinsamen Fachtag aller Beratungsstellen aus NRW wurden Beispiele guter Kooperation zwischen Beratungsstellen und Jobcenter vorgestellt, die vorbildhaft für viele andere geworden sind. Außerdem konnte unsere Kooperation mit der Regionaldirektion und dem Sozialministerium verbessert werden, sodass wir insgesamt zwar von einem nachhaltigen Effekt der Aktion sprechen können - aber in der Fläche läuft das vor Ort noch längst nicht reibungslos. Wir setzen große Hoffnung auf die neu eingerichteten Beauftragten für Chancengleichheit in den Jobcentern, die sich auf Initiative der Bundesstiftung diesem Anliegen angenommen haben.

Kontopfändung
Leider ist es nicht gelungen, das Bundesjustizministerium davon zu überzeugen, die gesetzlich vor Pfändung geschützten Bundesstiftungsmittel im Rahmen der Reform des Kontopfändungsschutzes weiterhin als privilegiert einzustufen. Um die Mittel der Bundesstiftung wirksam zu schützen, muss jetzt ein erheblicher bürokratischer Aufwand von den Antragstellerinnen und deren Beraterinnen betrieben werden, um einen gerichtlich bestätigten Kontopfändungsschutz zu erreichen.

EU-Erweiterung
Durch die Osterweiterung der EU sind viele junge Frauen nach Deutschland gekommen, die Großteils unter schlechten Umständen hier leben und teilweise sogar zur Prostitution gezwungen werden. Die Schwangerschaftsberatungsstellen in großen Städten werden zunehmend mit diesem Personenkreis konfrontiert. Neben speziellen Ausländerrechtsfragen sind es besonders die Lebensumstände und Perspektivlosigkeit, die die Beraterinnen auch menschlich belasten.

Das sind nur drei Beispiele für die immer größer werdenden juristischen, fachlichen und administrativen Anforderungen an die Beraterinnen. Bei gleichbleibender Anzahl der Beratungskräfte und den zunehmend schwierigeren Beratungsfällen sind die notwendige individuelle Hilfe und Unterstützung der Schwangeren durch die Fachberaterinnen kaum noch leistbar. Diese Entwicklung ist bedauerlich und eigentlich nicht hinnehmbar.

Die Bundesstiftung wendet sich besonders an schwangere Frauen in einer Notlage - in Deutschland gibt es rund 1.500 Schwangerenberatungsstellen. Wie beurteilen Sie heute diese gesellschaftliche und politische Herausforderung?


Ich halte das flächendeckende Angebot von Schwangerschaftsberatungsstellen nach wie vor für sehr sinnvoll und notwendig, da die Frauen nicht selten bedingt durch die Schwangerschaft in eine Notlage kommen. Die werdenden Mütter haben oftmals große Probleme ihrer neuen Verantwortung selbstbewusst und kindgerecht zu begegnen.

Die Ausgangslage für die (neue) Familie ist beispielsweise durch eine wirtschaftliche Notsituation, durch eine labile und problematische Beziehung zum Kindesvater, oder/und durch einen nicht gesicherten Aufenthaltsstatus bestimmt. In NRW musste im Jahr 2010 jede 4,5te Schwangerschaft mit Bundesstiftungsmitteln unterstützt werden, das entspricht in etwa dem Bundesdurchschnitt. Ich persönlich empfinde diese hohe Anzahl alarmierend und sie ist sehr aussagekräftig über die Situation von Schwangeren in Deutschland.

Die Bundesstiftung spricht davon, mit den Stiftungsleistungen werdenden Müttern Türen in die Strukturen früher Hilfen zu öffnen. Wie sehen Sie diese „Türöffnerfunktion“ und die Rolle der Bundesstiftung?

Die finanzielle Unterstützung der Bundestiftung betrug in 2010 im Bund durchschnittlich 651 €, in NRW 597 €. Man kann sich sehr leicht vorstellen, dass diese materielle Unterstützung schnell durch die notwendigen Anschaffungen und Kosten, beispielsweise für die Einrichtung einer neuen Wohnung von Mutter und Kind, aufgebraucht ist. Allerdings führt die Aussicht auf eine finanzielle Unterstützung auch die Frauen in die Beratungsstellen, die sonst möglicherweise nicht kommen würden. Hier erfahren sie eine wertvolle Unterstützung.

Über die finanziellen Hilfen hinaus umfasst das Angebot zur Beratung die gesamte psychosoziale Situation und bezieht Fragen zur weiteren Lebensplanung, bestehender Beziehungskonflikte, gesundheitliche Aspekte und vieles mehr mit ein. Dabei können auch Verknüpfungen zu weiteren nachhaltigen Leistungen der örtlichen Netzwerke wie z.B.“Frühe Hilfen“ hergestellt werden. Durch die individuelle Beratung erhalten die Frauen Perspektiven zur Fortführung der Schwangerschaft und Ermutigung für die kommende Elternschaft. Durch diesen Zweiklang von finanzieller Hilfe und professioneller Beratung kann der Stiftungszweck “Schutz des ungeborenen Lebens“ wirksam erfüllt werden.