Interview Im Gespräch mit Dr. Susanne Diemer, Mitglied des Stiftungsrates bis 2011

In Deutschland gibt es rund 1.500 Schwangerschaftsberatungsstellen. Welche Rolle spielt die „Bundesstiftung Mutter und Kind“?

Die Länder stellen mit der Förderung der Schwangerenberatungsstellen ein organisatorisches Netz zur Verfügung, das die zentrale Voraussetzung dafür ist, die Mittel der Bundesstiftung „Mutter und Kind – Schutz des ungeborenen Lebens“ gemäß ihren Zielen einzusetzen und die Schwangeren zu erreichen. Innerhalb des umfassenden Beratungsauftrages, den die Schwangerenberatungsstellen haben und aus meiner Sicht in hervorragender Qualität erfüllen, spielt die Bundesstiftung eine wichtige Rolle. Die Bedeutung, die die strukturelle Verknüpfung von finanzieller Unterstützung, psychosozialer Beratung und weitergehender Hilfestellung hat, ist, wie die Berichte der Beratungsstellen immer wieder zeigen, nicht zu unterschätzen. Die finanzielle Unterstützung der Schwangeren durch Stiftungsleistungen entfaltet ihren Sinn und ihre Bedeutung insbesondere durch die Einbindung in das Beratungskonzept nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz.

Worin liegt aus Ihrer Sicht die gesellschaftliche Verantwortung der Bundesstiftung?

Die gesellschaftliche Verantwortung der Stiftung zeigt sich in der Zielsetzung. Diese besteht darin, Frauen in einer schwierigen Situation konkret zu unterstützen. Das Signal an die betroffenen Frauen ist: Wir nehmen die Notlage nicht nur wahr, sondern stehen mit finanzieller Unterstützung und einem Beratungsangebot zur Seite. Dabei ist unbedingt dafür Sorge zu tragen, dass Stiftungsleistungen nicht als vermeintlicher Ersatz für staatliche Transferleistungen gesehen werden, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Insofern hat die Stiftung auch eine Verantwortung, Frauen darin zu unterstützen, dass sie von den ihnen zustehenden Leistungen und Rechten innerhalb des Sozialleistungssystems Gebrauch machen. Den Fachkräften in den Schwangerenberatungsstellen kommt dabei eine Schlüsselrolle zu. So manche Frau, die Stiftungsleistungen beantragen möchte, wird darüber hinaus erfolgreich dabei unterstützt, Rechtsansprüche auf soziale Leistungen geltend zu machen. Auch dies ist ein wichtiger Aspekt der Stiftungstätigkeit.

Die Bundesstiftung spricht davon, mit den Stiftungsgeldern den werdenden Müttern Türen in die Strukturen der Frühen Hilfen zu öffnen. Wie wird die Bundesstiftung dieser „Türöffnerfunktion“ gerecht?

Ob und wie die Bundesstiftung dem Anspruch einer „Türöffnerfunktion“ im System der Frühen Hilfen vor Ort gerecht werden kann, hängt direkt zusammen mit der Frage, auf welche Beratungsstrukturen die Bundesstiftung zurückgreifen kann und wie die Fachkräfte in den Schwangerenberatungsstellen ihren gesetzlichen Beratungsauftrag in der täglichen Praxis umsetzen. Die Schwangerenberatungsstellen gewinnen im System der Frühen Hilfen eine immer größere Bedeutung und sind ein sehr wichtiger Baustein in der Beratungsstruktur vor Ort. Nach meiner Erfahrung arbeiten in den Schwangerenberatungsstellen hoch motivierte und fachlich hervorragend qualifizierte Fachkräfte, denen es gelingt, Schwangeren in Notlagen individuelle, weiterführende Hilfen aufzuzeigen und sie während der Schwangerschaft und darüber hinaus zu begleiten. Auch hier gilt: Nur im Zusammenspiel zwischen Bundesstiftung und Schwangerenberatungsstellen kann es gelingen, die wichtige Aufgabe der Bundesstiftung als „Türöffnerin“ einzunehmen und auf fachlich hohem Niveau zu verwirklichen.

Die Bundesstiftung wendet sich besonders an schwangere Frauen. Wie beurteilen Sie die Herausforderung, Väter stärker und früher anzusprechen?

Nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz haben ohnehin Frauen und Männer einen Anspruch auf Beratung. Selbstverständlich arbeiten die Beratungsstellen daran, dass Frauen und Männer angesprochen werden. Es ist schließlich bekannt, dass mit jeder Geburt eines Kindes nicht nur eine Frau Mutter, sondern auch ein Mann Vater wird. Für die Bundesstiftungsleistungen gilt jedoch, dass es von der Zweckbestimmung her keine Leistungen an Elternpaare sind, sondern tatsächlich Leistungen an die Schwangere, um den Bedarf für sich und das Kind abzudecken. Dagegen kann nichts eingewendet werden, denn beides ist ja auch im Interesse der werdenden Väter.

Aus welchen Beweggründen haben Sie sich in der Bundesstiftung Mutter und Kind für Schwangere in Not engagiert?

Im Ministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familien und Senioren des Landes Baden-Württemberg bin ich unter anderem zuständig für die Landesstiftung „Familie in Not“, die Bundesstiftung „Mutter und Kind“, das Schwangerschaftskonfliktgesetz und die Schwangerenberatungsstellen in Baden-Württemberg. Vor diesem Hintergrund hat die Arbeit für die Bundesstiftung und insbesondere die Verknüpfung der Themengebiete eine fachlich große Bedeutung.

Welche Schwerpunkte haben Sie persönlich bei Ihrer Arbeit im Stiftungsrat gesetzt?

Wichtig finde ich, dass wir im Rahmen des Stiftungserrichtungsgesetzes und der Vergaberichtlinien dafür Sorge tragen, die unterschiedlichen Vergabepraktiken in den Bundesländern in ihrer Vielfalt aufrechtzuerhalten. Es gilt, die spezifischen Erfahrungen der Schwangerenberatungsstellen vor Ort ernst zu nehmen und diese Rückmeldungen in der Vergabepraxis umzusetzen. Dies führt zu einer föderalen Vielfalt, die ich sehr sinnvoll finde.

Können Sie aus Ihrem persönlichen Engagement und Mitwirken ein Beispiel für die erfolgreiche Arbeit der Bundesstiftung bzw. der Landeseinrichtungen schildern?

Als Erfolg sehe ich, dass die Kommunikation zwischen Schwangerenberatungsstellen, den jeweiligen Landesstiftungen und der Bundesstiftung gelingt und dazu beitragen kann, dass die Bundesstiftung sich ständig weiterentwickelt.