Interview Im Gespräch mit Josef Hecken, Stiftungsratsvorsitzender bis 2012

In Deutschland gibt es rund 1.500 Schwangerschaftsberatungs-stellen. Welche Rolle spielt die „Bundesstiftung Mutter und Kind“? Ist sie der „Knoten im Netz“?

Durch das flächendeckende Netz der Schwangerschaftsberatungsstellen ist eine schnelle und individuelle Hilfe sichergestellt. Die Bundesstiftung bietet über die Schwangerschaftsberatungsstellen schwangeren Frauen in Not konkrete finanzielle Hilfe – in Euro und Cent – und psychosoziale Beratung an. Unser Ziel ist es, diesen Frauen die Fortsetzung der Schwangerschaft zu erleichtern. Im Jahr 2009 konnten rund 150.000 schwangere Frauen in einer Notlage mit durchschnittlich 649 Euro unterstützt werden; das ist etwa jede fünfte Schwangere. Vermutlich nie wieder in ihrem Leben ist eine Frau in einer körperlich und emotional extremeren Situation als während einer Schwangerschaft. Nichts ist für die Betroffene schlimmer, als ausgerechnet dann allein gelassen zu werden, finanzielle Not zu leiden und ohne Perspektive zu sein. Hier setzt die Bundesstiftung an.

Aus welchen Beweggründen engagieren Sie sich in der Bundesstiftung?

Als neuer Vorsitzender des Stiftungsrats freue ich mich, die Arbeit der Stiftung künftig mitgestalten und begleiten zu können. Ich finde, dass es sich in einer Gesellschaft der Mitmenschlichkeit gehört, die schwächste Form des menschlichen Lebens – das ungeborene Leben – besonders zu schützen. Und man muss weiter denken. Denn wird eine Schwangerschaft von Anfang an nur als Last und Bürde empfunden, kann das auch nach der Geburt die Beziehung zwischen Mutter und Kind beeinträchtigen.

Die Bundesstiftung spricht davon, mit den Stiftungsgeldern den werdenden Müttern Türen in die Strukturen der frühen Hilfen zu öffnen. Wie funktioniert diese Türöffnerfunktion genau?

Wird der Antrag auf finanzielle Hilfe in einer Schwangerschaftsberatungsstelle noch vor der Entbindung gestellt, ist der schwangeren Frau zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Weg in eine Beratungsstelle geebnet. So werden Hilfen aufgezeigt, die über den finanziellen Beitrag der Bundesstiftung weit hinausgehen. Mit dieser „Türöffnerfunktion" verknüpft die Bundesstiftung die Unterstützungssysteme in das System früher Hilfen als Beitrag zum präventiven Kinderschutz.

Worin liegt aus Ihrer Sicht die gesellschaftliche Verantwortung der Bundesstiftung?

Die Bundesstiftung leistet seit über 25 Jahren ergänzende finanzielle Hilfe für schwangere Frauen in Not. Sie ist ein besonders geeignetes Instrument, um werdenden Müttern trotz vorhandener Konfliktsituation durch schnelle und unbürokratische Hilfen die Fortsetzung der Schwangerschaft zu erleichtern. Die Stiftung schließt die Lücke, wenn im Rahmen der Geburt eines Kindes die staatlichen Unterstützungsleistungen für Familien noch nicht greifen.

Die Bundesstiftung wendet sich besonders an schwangere Frauen. Wie beurteilen Sie die Herausforderung, Väter stärker und früher anzusprechen?

Die Rolle der Väter als frühe Helfer und als aktive Partner ist nicht zu unterschätzen, deshalb sollten auch Männer systematisch mit angesprochen werden.

Können Sie aus Ihrem persönlichen Engagement und Mitwirken ein Beispiel für die erfolgreiche Arbeit der Bundesstiftung bzw. der Landeseinrichtungen schildern?

Anfang 2010 stellte sich die Bundesstiftung bei einer Peer-Review-Veranstaltung in Berlin Expertinnen und Experten aus Europa und der Europäischen Kommission als Best-Practice-Beispiel für Schwangerschaftshilfe in Notlagen vor. Der internationale Austausch ergab, dass besonders der sehr frühe Ansatz der Unterstützungs- und Hilfeleistungen eine außergewöhnliche Vorgehensweise auch im Verhältnis zu den Leistungen anderer Länder ist.